Freimaurerei in Lahr - Allvater zum Freien Gedanken

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Bereits im 18. Jahrhundert gab es Freimaurer im mittelbadischen Raum. Der „Musikbaron“ Freiherr Franz Friedrich Sigmund August Böcklin von Böcklinsau war bereits 1783 in Wien in eine Loge aufgenommen worden, ein Spross einer Lahrer Bürgerfamilie wurde 1805 in die (deutschsprachige) „Pilger Loge“ in London aufgenommen. Die Verbindungen untereinander waren aber sehr locker, zumal die Freimaurerei in Baden (im Gegensatz z.B. zu Preußen) in den Jahren 1813 bis 1845/46 verboten war. Am 18. Oktober 1868 war es dann aber soweit: Die Freimaurerloge „Allvater zum freien Gedanken“ in Lahr wurde gegründet. In ihr fanden sich Brüder zusammen, die das „freimaurerische Licht“ meist in Freiburg, manchmal aber auch in Straßburg, Mühlhausen oder Marseille empfangen hatten. Die Freiburger Loge „Zur Edlen Aussicht“, gegründet 1784 mit einem Patent der Großloge von Österreich (Freiburg und der Breisgau gehörten damals zu Vorderösterreich), wurde zur Mutterloge der Lahrer Bruderschaft.

Bemühungen um die Gründung einer Loge hatte es im mittelbadischen Raum bereits ab den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts gegeben. Wilhelm Schubert, der Lahrer Bürgermeister dessen Denkmal den Gipfel des Schutterlindenbergs krönt, war eine der treibenden Kräfte dieser Bewegung, auch wenn er selbst zeitlebens Mitglied der „Edlen Aussicht“ in Freiburg blieb. Die „Edle Aussicht“ (sie nannte sich 1946-2002 „Humanitas zur freien Burg“) gehörte, wie unsere Loge „Allvater zum freien Gedanken“ der Großloge „Zur Sonne“ in Bayreuth an, welche ihre Wurzeln bis auf Friedrich den Großen zurückführen konnte und als besonders liberal-humanitär galt. Im Juli 1866 hatte sich als „Vorstufe“ in Offenburg ein „freimaurerisches Kränzchen“ gebildet, aus dem 1868 dann die Lahrer Loge „Allvater zum freien Gedanken“ entstand. Sie wurde danach auch zur Mutterloge der beiden Logen „Erwin“ in Kehl und „Offene Burg zur Erkenntnis“ in Offenburg, welche jedoch beide nach der Zeit des Nationalsozialismus, der die Freimaurerei als „charakterjüdische Organisation“ aufs bitterste bekämpft hat, nicht wieder zu dauerhaftem Leben erweckt werden konnten. Die Abzeichen der Loge „Offene Burg zur Erkenntnis“ konnten jedoch gerettet werden und zieren noch heute die Bibliothek der Lahrer Loge. Im 19. Jahrhundert war die Lahrer Loge durch verschiedene ihrer Brüder sozial herausragend aktiv. So waren spätere Logenbrüder bereits an der Gründung des Turnvereins Lahr von 1846 genauso beteiligt, wie an der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Lahr 1847. Nicht nur bei der Gründung des 1. Deutschen Reichswaisenhauses 1877 war die Loge ebenfalls stark vertreten. 1869 wollte man gar einen eigenen Kindergarten nach „Fröbelschem System“ – einen pädagogischen Kindergarten, keine „Kleinkinderbewahranstalt“ auf einem bereits gekauften Grundstück einrichten, sah jedoch davon ab, nachdem die Stadt Lahr bereit war, diesen Gedanken umzusetzen. Das Grundstück wurde mit Verlust verkauft… Die Loge hatte die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, deren Werte noch auf Gulden (erst ab 1876 auf Mark) lauteten. Noch heute ziert eine dieser Aktien das Beratungszimmer der Loge, genauso wie ein Bildnis des 1877 verstorbenen, hochverdienten Meister vom Stuhl Christian Siefert, dessen freimaurerisches Grabmal auf dem „Alten Friedhof“ bei der Stiftskirche besonders bemerkenswert ist. Die Loge nahm einen großartigen Aufschwung, und besonders der Großlogentag im Jahre 1908 in Lahr war besonders hervorzuheben. Bemerkenswert ist, dass in jenem Jahr in Lahr die Weichen für die Gründung der eigenständigen Großloge von Norwegen gestellt wurden, deren Logen bisher eine Provinzialloge der Großloge in Bayreuth gebildet hatten. Die Lahrer Bruderschaft war bis 1914 in verschiedenen Gebäuden Lahrs als Mieter untergebracht. 1913 konnte das nunmehrige Logenhaus erworben werden, das – unterbrochen durch die Zeit der NS-Diktatur – bis heute die Heimstatt der Loge ist. Der Ausbruch des I. Weltkrieges ließ auch die meisten Logenbrüder, sei es aus vaterländischer Pflichterfüllung oder meist auch freiwillig, zu den Fahnen eilen. Die Freimaurer des Oberrheines hatten sich aber noch bis im Sommer 1914 um Frieden und Ausgleich bemüht. Die Zeit des I. Weltkrieges brachte die freimaurerische Arbeit fast gänzlich zum Erliegen. Diejenigen Brüder, welche in Lahr verblieben waren, engagierten sich vielfältig, u.a. in der Arbeit für Verwundete.

In der Geschichte der Loge (bis zur Zwangsauflösung) ganz besonders zu erwähnen sind die Stuhlmeister (Vorsitzenden) Christian Siefert, Karl Schmidt, Gustav Pfisterer, Eduard Nägele, Albert und Richard und Nestler. Insbesondere Stadtbaumeister Nägele und die Brüder Nestler waren während der NS-Zeit wegen ihrer Zugehörigkeit zur Freimaurerei vielfältigen Nachstellungen durch das Unrechtsregime ausgesetzt: Stadtbaumeister Nägele wurde als Beamter bedrängt und zurückgesetzt, die Unternehmer Nestler wurden von Staatsaufträgen ausgeschlossen und sollten gar gezwungen werden, ihren Betrieb abzugeben. Die Loge wurde gezwungen, sich im April 1933 aufzulösen. Die Gestapo, deren Dienstsitz im „Alten Rathaus“ war, soll dabei „freundlich geholfen“ haben. Das Haus musste zwangsveräußert werden. Nach zwölf Jahre dauernder Nacht trafen sich, so wurde unter alten Logenbrüdern erzählt, die Getreuen bereits im Sommer 1945 in den Räumen einer Bilderrahmenfabrik in der Lahrer Schillerstraße. Brüder aus den Reihen des französischen Militärs und der französischen Verwaltung halfen unterstützend. 1949 endlich war die Widereintragung in das Vereinsregister möglich, 1952 erfolgte – in den Räumen des Hotels „Palmengarten“ in Offenburg – die Lichteinbringung in die wiedergegründete Loge „Allvater zum Freien Gedanken“. 1956 konnten erstmals wieder freimaurerische Zusammenkünfte im eigenen Hause stattfinden. Vorausgegangen war ein langwieriger Prozess, der mit einem Vergleich endete. Verlierer waren dabei sowohl die Loge, als auch die zwischenzeitliche Eigentümerin – einen Ausgleich oder eine Entschädigung für das erlittene Unrecht erhielt die Loge nie. Bruder Kurt Richard Nestler setzte in den sechziger Jahren als Meister vom Stuhl eine Tradition seiner Familie zum Segen der Bruderschaft fort. Nachdem bereits bei der Widergründung französische Brüder die Lahrer Bruderschaft aktiv unterstützt hatten, wurden internationale Kontakte stets ausgebaut und gepflegt. Seit 1967 hat im Lahrer Logenhaus die Loge „Black Forest“ der kanadischen Brüder genauso ihre Heimstatt, wie die im Jahre 2012 gegründete Loge „Les douze Étoiles“, die französischsprechende Brüder in ihren Reihen vereint. Und aus der Lahrer Bruderschaft ging 1967 die Loge „Zuflucht im Schwarzwald“ in Freudenstadt mit hervor. Die Lahrer Loge „Allvater zum freien Gedanken“ zählt gegenwärtig über 30 Mitglieder, welche sich aus dem gesamten, mittelbadischen Raum hier vereinen. Deutschsprachige Nachbarlogen bestehen in Baden-Baden, Freiburg und Freudenstadt, in Kehl besteht eine weitere, englischsprachige Loge.

Quelle: Ralf Bernd Herden: Fragmente oberrheinischer freimaurerischer Geschichte – Zur Geschichte nicht nur der badischen Freimaurerei, BoD Norderstedt 2016.